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Monday, January 29, 2007
Roloff vs. Karl Heinz Bohrer's "Pathetisches Sprechen ohne Scham"
"Falsche Analogien und Gegenüberstellungen, Tendenziöser Aethetizismus und Oberflächliches Denken, um dem Schuldgewissen und der Schuldkultur den Garaus zu Machen: Karl Heinz Bohrer & seine Polemik Pathetisches Sprechen ohne Scham."
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http://www.taz.de/pt/2006/11/04/a0212.1/text
http://www.online-merkur.de/
"Pathetisches Sprechen ohne Scham
Noch einmal zum Fall Günter Grass: Viele Intellektuelle der Bundesrepublik entstammen nationalsozialistischen Elternhäusern oder waren gläubige Mitglieder von NS-Jugendorganisationen. Nicht diese Herkunft ist das Problem - wohl aber der moralisch-idealistische Jargon, der Herr Bohrer sich aus ihr erklärt "
http://www.taz.de/pt/2006/11/04/a0212.1/text
1] Lieber, wahrhaftig, wirklich geehrter Herr Bohrer, Sie werden sich kaum an einen Abend mit meiner Kusine Nite von der Schulenburg und dem Gatten Earl Grey Gowery und mit mir in deren Wohnung in Covent Garden so um 1070 oder 1970 herum erinnern. Sollte Ihr Gedächtnis aber lückenlos sein... alles was sie Seattle zu bieten hat, inklusive unsere weltberühmten Orcas, ist das Ihre.
Ich wende mich an Sie – etwas verspätet - aus Anlaß des oben genannten Artikels, u. a. über Günter Gras. [*1] Den folgenden, in der Zwischenzeit überarbeiteten, verschärften jetzt öffentlichen Brief - Stellungnahme - Versuch ins Gespräch zu kommen - aber von Ihnen weder beantwortet noch trotz Nachfrage überhaupt zur Kenntniß genommen - veröffentliche ich hier in des freundlichen "Gregor Keuschnigs" [bekannter Name irgendwie, nicht war? Eines Liebhaber's Pseudonym,] Begleitschreiben MAIN LINK
.
2-a] Wie Sie sehen werden, ist mein Blickpunkt, meine politische Schulung durch andere als allgemeine Erfahrungen, aber besonders von denen von Ihnen beglückwünschten, und Überlegungen gefärbt. Wie sie sehen werden, in einigem verstehen wir uns schon, aber nicht immer aus den selben Gründen, in anderen scheiden sich die Geister gründlich, radikal.
2-b] Ihr Vergleich von den Selbstgerechten Nachkommen aus einer Millionenschaar von ehemaligen Nazi Enthuisiasten mit der Wortkargheit der Nachkommen einer Minuskulen und im allgemeinen spät geborenen und pathetisch inkompetenten und erfolglosen Verschwörung stimmt, so kommt mir vor, stimmt schon deswegen nicht, also überhaupt, und kommt mir als Versuch vor diejenigen von Hitler's letzten Kindern, die sich ja mit ihrer jugendlichen Revolte wohl auch gegen die eigenen Nazifamilien richteten, nicht nur an den Mief der Westdeutschen Gesellschaft, als eigentlich doch, immernoch, inescapably - of gut oder böse - Nazis abzustempeln. Pauschale Polemiken wie die Ihre, ich kenne solche besonders von Peter Handke, sind zwar aufdringlich herausfordernd und laut, aber leiten dann doch zu Überlegungen. Das hat Herr Habermas, den Sie ja in anderer Hinsicht, tadeln, auch schon, wegen derer Straßen Manieren, so um 1970 herum, getan, anstatt diesen Kindern, trotz ihren Manieren, Deutsche Manieren, ihrer, in den Unis geschulten Gewißenhaftigkeit, endlich historischen Sinn, zu kongratulieren; denn genau dahin läuft Ihre tendenziöse verdrehende Polemik hinaus. Die Schlachten, die die 86ziger uns lieferten sind aber kaum zu vergleichen mit denen der 20er Jahre. Die SA bestand aus meistens wild patriotischen Arbeitern, ex-Soldaten des Ersten Weltkriegs glaube ich. Trotz des Unterschieds an der Mannschaft die da auf die Strassen ging, Adorno und Horkheimer zitterten auch wieder. Grob gesagt, die letzten Nachkommen der gläubigen Nazis als Nazihaft rechthaberisch auf einer Seite, im Vergleich zu den sich zurückhaltenden Kinder der Widerständler. Mir scheint auch also ob Ihnen mehr als die Selbstgerechtigkeit von Grass auf die Nerven geht,Sie degoutiert; o.k. Sie sind zwar für Aesthetik verantwortlich; aber wenn das Gewissen, auch immer halb unwissend woran es übelt, wenn es einmal kotzt, wenn auch auf Deutsche, ziemlich verschroben Art, und nur eine Schicht, mit einer Abstammung mit der sie abzurechnen versuchte, eine Abstammung die man sich ja leider nicht aussuchen kann, dann riecht es eben nicht angenehm; bei solchen Sachen aber muß aber dann ruhig den Arm bis zur Schulter in den Kuh Arsch stecken können... ohne die Nase zu rümpfen. Ihre Polemik ist gespickt mit "unappetitlich" und so; ich kann mir gut vorstellen was ihre Vorlieben als Kleinkind waren! Und dass Sie sich nicht allzu unwohl unter dem Statthalter Adenauer gefühlt haben. Trotzdem habe ich die Sammlungen Ihrer Essays und Rezensionen die ich dann auch so ziemlich alle las als ich mit der Deutschen Nachskriegsliteratur in den 60ziger Jahren Bekanntschaft mache eher positiv in Erinnerung.
Sie schreiben: "Wenn also nicht nur ein großer Anteil derjenigen, die gut schreiben und lesen konnten, Nazis wurden, sondern gerade die Mehrheit in den Geisteswissenschaften - darunter nicht nur soziale Streber, sondern vom "deutschen Geist" Überzeugte -, woher sollte schon nach dem Krieg der Widerruf kommen?" dann frage ich zurück warum es bis in die späten 60ziger Jahre dauerte, daß die Verwandschaft der einst enthusiastischen sich gegen ihre Herkunft gewendet haben? Ein Grund dafür, daß es die Studenten Revolte überhaupt gab, sie ermöglichte, weltweit, hat doch, in Deutschland, mit dem Deutschen Wirtschaftswunder zu tun: Studenten/ Flaneure hatten plötzlich Zeit. Und sie hatten die Zeit kritisch denken zu lernen. Und von wem? Die Sozialisten und Kommunisten hatten das immer gekonnt.Aus dem Ghetto der eigenen Klasse auszubrechen dazu gehoert, im allgemeinen, einiges.
2-c] Die wahrhaftige Schuld - und wer sich schuldig oder niedergeschmettert fühlen sollte [es werden derer immer weniger aber es ist sicherlich in der Steiermark, im Tirol und Kärnten in Bernstein preserviertes Treibholz dieser Art vorzufinden]-; woraus diese [a] Schuld - die wohl um abgetragen zu werden jedenfalls mit einem gewissen Differenziert beurteilt werden muß - woraus diese wirklich besteht ; und die [b] Schuldkultur, die sie - auf sehr typische Art - so satt haben, diese beiden Phenomena stehen ja in nicht in was man ein rationales Verhältnis bezeichnen könnte, ohne daß man ein Modicum historisches Verständis hineinstreut. Ja wahrlich, die Deutsche Schuldkultur, ein neues Weltwunder, bewundert von "Sea to Shining Sea," der [West] Deutsche - ziemlich selbst-gemachte, nicht nur - aber auch sehr! -erpreßt durch den "schlechten Ruf" den H. M. Enzensberger einmal in einem noch schoenen Gedicht zietierte, Versuch der Wiedergutmachung, hätte es eine "reconciliation commission" in Sued-Afrika ohne diese eigentlich Westdeutsche Schuldkultur gegeben. Erst wollten die Biester nicht mal trauern, dann haben sie scheinbar alle Schuld der Welt sich auf die Schultern geladen [auch eine Art ungeheurer Arroganz! die sich dann ausartet], jetzt stöhnen eigene viele wie Sie, und versuchen kramphaft die drei Würste von der Nase weg. Es hat schon auch seine Komik.
Sie schreiben: "Ja, die Begründung der deutschen Geschichte auf dem Holocaust liest sich wie die perverse Inversion der Tat selbst, ist nur als Frenetismus einer Schuldkultur zu verstehen," und "I could not agree more" [sehe ausführlicher darüber unten]. Aber nicht mit Ihrer These daß diese Kultur eigentlich Ausgeburt des ewigen Nazitums ist. Den besonders rechthaberischen, oberlehrerhaften Typ gab es schon längst vor den Nazis, und er hat auch das kurze Reich überlebt; als Heinrich Mann Preistraeger kennen sie diesen Typ noch aus dem Wilhelminischen Reich stammend. Oft gaunerhaft, besonders hypocritical! Also besonders schuldbewußt im so halb Unterbewußten. Sie haetten einmal miterleben müssen wie der Erzbischoff von New York auf die Aufführung des "Stellvertreters" eindrosch - Heuchelei erreicht immer ihr Uebermass.
3-a] Ihr Artikel, auch viel Anderes, auf das ich in letzter Zeit gestoßen, auch meine Arbeiten, psychoanlytisch, sogar medizinisch, pschosomatisches, über das Werk und die Person Peter Handkes, hat mir zu denken gegeben.[*2] Sie haben sicherlich recht, daß Schuldgefühle sich auch in Selbstgerechtigkeit, manchmal sogar auf selbstherrliche Weise, ausdrücken können, und wohl kaum nur bei Nachfahren der einst vom Hitler-Nationalismus Begeisterten. Eins der dahintersteckende psychologische Principia heißt "Projective Identification" [ich kenne diese Formulierungen nur auf Englisch]. Man überträgt, ja okroyiert, stößt aus das unerwünscht häßliche im eigenen Unterbewußten auf einen andern; ganz unbewußt - diesen Moment des Ausschalten des Bewußtseins in dem besonderen Moment, oft der Wut - darauf kommt es natürlich an. [*3]
Ein zweiter Grund wäre schon ganz jung verletzter Gerechtigkeitssinn, in den meisten Fällen berechtigterweise sich verletzt fühlend, daß die Wunde dann auf was immer ihre Art spricht, injuries, Traumata, Künstler ihre Kunst ist in moderne Zeit wenigstens eine Art der Wiedergutmachung, und dabei sprüht dann viel anderes raus. Und sie fungieren als Surrogate in der Gesellschaft, sind benötigt.
Dem Schuldbewußtsein, und seiner Demonstration, auch absurdum, dann aber vorzuwerfen daß es nur schuldbewußt ist um dem Pein zu entgehen und sich wieder als heil und gesund und strahlend [sagen wir wie der einst immer strahlende große Schwimmer Siegfried Unseld, Gründer des "Juden Verlags unter der Imprimatur Suhrkamp der wohl einiges auf der Ostfront gesehen wenn nicht getan hat] und sich selbst als moralisch gut beurteilen zu können überfordert aber, glaube ich, das gros des schuldigen menschlichen Gewissens. Nach Ihrer überspitzen Formulierung gebe es auch keine Sühne! Damit wären Sie angekommen wo ich nicht glaube, dass Sie es sein wollen.- Also, von einer Verzwickheit in die Andere, so scheint es. Aber ich verstehe schon warum Göbbels nicht nur seiner Gattin sondern alle sieben Sprosse der Rache, wenn auch nur ihres Gewissens, ersparte.
3-b] Mein so halb wissenschaftliches Sujet, Peter Handke, machte sich 2005 lustig - wo Verständnis eigentlich mehr geholfen hätte, angebracht waere - über seine eigene Anlage zu Selbstgerechigkeit [SG]; irgendwie machte sein Gewissen es so im Gewissenspiel dass er am Ende da immer unbefleckt weg kam!, LINK LOTHAR bevor er dann kürzlich besonders rechthaberisch auf Grass eindrosch, so wie sie, wie Louis Begley. "Eine Scham... etc" Handke am Schreibtisch, oder jedenfalls mit einem Bleistift in der Hand, oder als Schreihals, ist auch so ein Thema.[*4]
Bei Handke drückte sich die SG, für die Sprache, die Literatur ja schon ganz früh aus. Ob zu der Zeit [60ziger Jahre], besondere - also die schon mit der Kindheit eingetrichterten - Schuldgefühle, die Anlage sich schuldig fühlen zu können - das benötigt ja das Gewissen -, dahintersteckten? Ich glaube es kaum; in der Zwischenzeit hat der Kerl auf seine Art schon privat sich Schuld angelastet, man braucht ja nur die Dostoijevskyartige Zerknirschung Losers in "Der Chinese des Schmerzens" nachlesen; wer wird schon auf die Dauer nicht mehr oder minder schuldig [ich selbst bin auf ziemlich Großvaterartige Art es geworden bin, der Widersacher den ich auf zu leichte Schulter, nonchalant, genommen habe, zwar ein ziemlicher Dunkelmann, aber bei weitem kein Adolf Hitlers wie des Großvaters seiner; und an jähen Impulsen zur SG fehlt es bei mir auch nicht]. Die Anlage zur Schuld ist etwas worauf die Priester ja es immer abgesehen haben; Staatsmänner aber irgendwie lernen sie schnellstens zu ignorieren, zu überspringen, angeblich der "National Interest" wegen! Daher die u.a. Europäische Schuldkultur, nicht war? Und da im menschlichen, vielleicht in allen Affen Wesen, es pre-ödipale Anlagen zu Schuldgefühle gibt... wenn Sie mir bis hierhin folgen. Das pre-ödipale heißt bei Melanie Klein die Ambivalenz der "depressiven" Position. Sinnvoll auch von Darwinistischem Standpunkt. Also, wenn es auf Habermas' gut gemeinte, aus dem Historiker Streit stammende Idee, dass "die Deutschen" erst durch ihre Konfrontation mit Auschwitz Schuld Aufladung ein Gewissen bekommen haben, in dem Punkt stimmen wir wohl überein. Die Habermas'sche Antwort in dem Streit war die "deutsche Schuld" mit der Einmaligkeit der Shoah synonym zu machen. Schon recht im gewissen Sinn: solch ein systematischen Ausrottungsversuch kann ich mir kaum aus einer anderen Kultur, Gesellschaft zu der Zeit stammend vorstellen. Aber dann besteht auch die Möglichkeit, dem schon gründlich auf den Grund zu gehen, es zu zerlegen; und dann die Schuld nicht auf das Gewissen eines ganzen Volkes abzuladen [inverted vanity as it were - eine Art Masochismus] sondern es zu portionieren ohne im geringsten zu relativieren: also - Ressentiment, immer die Schuld bei anderen [den Juden]finden, als an der eigenen kriegerischen Anlage, der Gehorsamskultur, dem Autoritären, dem Subaltern, dem Sauberkeitsfantatismus, ich denke an die Nicht-Bewältigung des verlorenen Ersten Weltkriegs. Von einer Nicht-Bewältigung zur nächsten, nicht wahr? Als ob Deutsche kein Gewissen gehabt hätten, es keinen Rechtstaat gegeben hätte; die Nazis wie jeder sich bewußt die Grenzen der Legalität überschreitender Staat - z.b. in den letzten Jahren die Busch Regierung hier - hat sich die Gesetze pervers zuschneidern lassen, von äußerst talentierten Deutschen, auf Deutschen Rechtsschulen trainierten Juristen! Kein Wunder also, daß der "steinerne Gast" von so vielen aus dem Haus gewünscht wird. Momentan, hier in der USA, verabschiedet die Regierung die Federal Prosecutors, um sich und ihre ungeheueren politischen wie finanziellen Korruption diese und ihre, bis jetzt noch halbwegs funktionierenden Investigations [Libby Trial] von dem Leib zu halten!
Also was sollte man, kann man mit dieser riesiegen Last an Deutscher Schuld dann machen? Man könnte sie analog des Carbon Emission Quota an Länder with Groß Britannien oder Spanien austauschen, bei denen es, soweit ich weiss, nicht die geringsten Schuldgefühle bei irgendwelchen Schichten, ob Unter oder Ober oder Intellektuellen Schichten ob der Missetaten und Folgen zur Zeit ihrer Imperialen Abenteuer bestehen? Oder man könnte eine wahrhaftige Beurteilung der Schuld, der Schuldigkeit vornehmen, so en gros. [a] Das Volk im großen ganzen nur in dem Moment als es nicht gegen die dann perfektionierte Diktatur nach Reichstagsbrand und "Nacht der Langen Messer" revoltierte.[b] Leute wie mein Großvater, Werner von Alvensleben, die mit von Papen, und vielen anderen es dem Hitler ermöglichten Kanzler zu werden, ein historisches Fehlurteil das nicht nur das Wesen des Nazitums, das krimenelle vieler Nazis, aber die Art und Weise wie die Partei seit 1923 Macht eroberte, einfach übergangen, ignoriert hat.[c] die Inkompetenz, das Hamlethaftige der Verschwörer; die einzige noch mögliche Opposition nach dem die Sozialistische wie Kommunistische Opposition krimanilisiert und ausgeschaltet war.[d] der Befehlsgehorsam des "einfachen" deutschen Soldaten, die irgendwie nie betrübt aussehen auf den vielen Bildern die es da gibt von den Sammelplätzen wo sie die Juden eingetrieben haben. Also, der sogenannte "einfache" Deutsche, der bei dieser Diskussion, typisch, er und sie, nie vorkommt, sollte nicht ungeschoren davonkommen...und so oder nicht weiter...
4] Es kommt noch diese Sub-Rubrik dazu: Dichter sind ja leider selten auch Denker. Aber nicht feig im Angriff dann. Allzu menschlich. Ja, auf die Nerven schon. Dazu berechtigt? Na ja, so bisschen "in glass house"... Aber auch immer schön wortgewaltig. Für andere ihr Sprachrohr. "The conscience of the race"... Joyce's Portrait of the Artist certainly has made history, every damn scribbler feels entitled, and not a one of them [except Peter Handke dem die Unterscheidungen des Römischen Strafgesetz Buches ein wenig Klarheit verschafften!] has gone to law school! Und dann auch noch das Beispiel von Sartres "engagement." Zola. "J'accuse." Schriftsteller als Richter, Verteidiger, Aburteiler, Beschuldiger in dem einem öffentlichen Bereich... weil eben die Gerichtsbarkeit, das Recht überhaupt, unter den verschiedenen Europäischen Regierungen nicht besonders gut funktioniert, nicht wahr, und das alles spielt auf dem Hintergrund des menschlichen Anliegens nach Gerechtigkeit, dem Sinn nach Fairness, was man dann oft bei den öffentlichen Beschuldigern selbst vermißt. - Was mich bei Grass besonders störte war sein Angriff auf Ronald Reagans Bitburg-Besuch, als Reagan sich ziemlich weise äußerte über die Geflogenheiten der jungen Männer Horde für den Vater zu kämpfen. Ein Moment da die Anthropologie mit in die Historie hineinspielt.
5] Ich selbst, Auswanderer, Flüchtender - aus dem mir verspukten Land des Jahres 1950 - war [wie Sie noch lesen werden] erstaunt bei meiner ersten Rückkehr 1956/57, aber wohl auch schon vorher, [insofern ich mir überhaupt denkende Gedanken aus dumpfen Gefühlen machte, und nicht nur aus Wut, Verwundung, Gerechtigkeitsinn, Familiengeschichten, Tragödien, Komödien motiviert war] - jedenfalls nicht in der jetzigen Terminologie, den jetzigen Kategorien - dass die Historie des Dritten Reiches zu der Zeit, den 50ziger und frühen 60ziger Jahren, scheinbar nicht "im Spiel" war. Mitscherlichs Bücher und vieles andere kamen viel später; erst in den 60er Jahren. Ich hatte zwar philosophische Kurse an meinem College besucht[der Vater von Lukacs und Olivier Foss! Ausgewanderter, Deutsch-Jüdischer Philosoph, Kantianer der ziemlich staunte als die Klasse sich auf den Neo-Kantianer's Vaihinger's "Philosophie des Als Ob" als für sie alle geschrieben stürzte! in den 50ziger "Als Ob" Jahren hier]; die ersten kritischen Marxisten, mit denen ich Bekanntschaft schloß, waren die damals in Ost-Berlin leicht erhältlichen Gesamtwerke von Lukacs und Bert Brecht. Die Wahrheiten der Schärfe der Brechtchen Zynismus Messer haben sich mit der Zeit dann einverleibt, eingenarbt. Und noch jeden Abend ins Theater, hauptsächlich nach Ostberlin. Das vereinte sich nicht unbedingt mit den Dichtern der Moderne - aber so ziemlich allen - in die ich mich auch zur der Zeit einlas. Ich hatte selbst, in Plön 1948-50, als automatischer Tagträumender Märchenmacher angefangen.Deswegen schätze ich den frühen Grass. Also verträumt, mich auf das schöne, damals namenlose Unterbewußte verlassend. Auf den ausbrütenden Traumvogel. Von den Wirkungen der Kindheitztraumata hätte ich mir bis zu einiger ziemlich gründlichen Psychoanalyse nicht träumen lassen. Die Kerle in Plön waren, so habe ich sie in Erinnerung, was man so "gross in Ordnung" heißt, bis eben auf den Sohn eines Nazi Generals mit dem ich - der Tortur die die Eltern, besonders der heißgeliebte Großvater von den Nazi's erlitten hatten wegen - ich Hitzkopf schnellstens in einen Kampf geriet der mich so erhitzte das mein Herz aus Wut beinahe überschnappte und ich deswegen diesen Zweikampf zum erstaunen der Kameraden seltenerweise verlor; davon lernte die Hitzigkeit ein wenig zu kontrollieren um nicht zu früh einem Herz Anfall zu erliegen. Ja, wie lange hat es doch gedauert bis es allen Deutschen ans Herz ging was da verbrochen wurde! Ihnen?
Immerhin, welche Bevölkerung macht sich lange Gedanken über die ungeheuren Verbrechen, die in ihrem Namen unternommen sind. Solange man siegt, kaum. Hierzulande taucht mir nichts dir nichts ein Rambo auf, da "the American people like to feel good about themselves." Was immerhin auf ein gewisses bißchen Gewissen durch Identifikation hindeutet, aber auch hier auf ein Gastausweisen. Sie haben die deutsche Nachkriegsschuldkultur scheinbar reichlich satt, trotzdem Sie ihr einen gewissen Respekt zollen. Die Verspätung all dessen, erklärlich vielleicht durch den Kalten Krieg, dadurch, daß die Deutschen nicht selbst ihre eigene "Entnazifizierung" durchführten, daß das Nürnberger Gericht keine Deutschen Richter hatte, der patriotische Widerstand gegen das Besetzt-sein, den Schock, der durch die Bombenangriffe versteiften Rücken, das nicht wissen können oder kaum wissen wollen, das nicht darüber sprechen wollen der zurückgekehrten Soldaten, das Überfordert-Sein... Ressentiment erklärbar... Jedenfalls, nichts ähnliches, keine Abrechnung wie nach dem Ersten Verlorenen Weltkrieg! Die Adenauer-Regierung hat, soweit ich weiß, nach dem Anfang des Kalten Krieges in 1947, bei der Aufräumung auch nicht geholfen. Was da alles Unterschlupf fand konnte man ja im Ostdeutschen "Braunbuch" nachlesen.
Wie Sie sehen werden, habe ich noch mehr als den gewöhnlichen guten Grund froh zu sein, daß meine Eltern Widerständler waren, aber weder ihre beide Brüder, die Beide, einer ganz kurz, aus ganz verschiedenen Gründen der SS angehörten. Ich habe auch viel Zeit in dem Institut für Zeitgeschichte verbracht, hatte Vorschuß für ein Buch über einen der interessantesten Widerstands Kerle, dem Oberst Kurt Großkurt, Sohn eines Bremer Pastors. Diese Arbeit versickerte durch Entauschens an dem Widerstand als solchem, seiner Erfolgslosikeit, der Opferunbereitbarkeit der Mitglieder... der liebe Grosskurt hat einmal verzweifelt, so um den Einmarsch ins Sudetenland herum, einen Stein auf die Reichkanzlei geworfen! Auch mein Vater, wie Rommel: "Gab's denn da kein Hauptmann mit Seitenwaffe?" Ich nehme an daß wäre der 20te Juli geglückt, hätte der General Graf Schwerin meinen Vater durch die Linien zur Britischen Division geschleust, und waere der Krieg so im Herbst 1944 vorbei... vielleicht würden die Deutschen eine andere Einstellung [ausser natürlich auch Dolchlegende] zum eigentlich mir eher zu sehr stiliesierten 20ten haben, an den ja auch Sie sich als eine einmal Hoffnung klammern. Ich selber habe den 20zigsten in besonders guter Erinnerung als Tag nach der Abfahrt des plötzlich aus wahrlich blauem Sommer erschienenen, mir unwillkommen schlagenden Vaters! Also, kam die wirkliche verspätete Auseinandersetzung mit dem Nazitum dann im gewissen Sinn verschroben aus den Universitäten. Wahrlich nicht vom Volk her, wie es hier in der USA trotz allem doch noch möglich ist. [z.b "Born on the 4th of July."]
Etwas was mit Ihrer Polemik zu tun hat, aber mir schon anhand der Beschäftigung mit der Kritik an Handkes Jugoslawien-Abenteuer [i.e. "Das Spiel zum Film ueber den Krieg."] in die Gedanken gekommen, ist Folgendes: Der ganze Historikerstreit ist doch von Anfang an wörtlich falsch gestellt worden: Erst kam der Versuch die deutsche Schuld [als ob es etwas so zu nennendes überhaupt gäbe] zu mildern, oder zu vermindern in dem es mit der Schuld anderer Völker, Regierungen verglichen wurde. Der Fehler liegt in Vergleichen, in the "mental act" of comparing of the incomparable. Schon das Wort "incomparable" ist falsch, trotzdem es in die richtigere Richtung weist." Illness as Metapher" heißt der schöne Essay von Susan Sontag. Auf jedes einzigartige kommt es an! Wenn da nichts bei einem Vergleich herauskommt, soll man ihn lassen, ein drittes, eine Erleuchtung muß bei einer Metapher doch herauskommen. Aber was für eine Energie es erfordert das eigene Gehirn zu trainieren; solche "mental acts" zu vermeiden! Die Kluft, die in dem Schuldverständnis zwischen der "educated" und der "uneducated" Klassen besteht - dort wie hier nur Schriftsteller.
Die Nazis - soweit ich, der davon äußerst wenig als Kind miterlebt habe [im ersten Volkschuljahr 1944/5, Dorf Schönebeck, in der Nähe von Vegesack, erhielt ich eine Maulschelle von dem SS Lehrer weil ich, ewig störrisch, contrary, mit der falschen Hand/ falschen Arm/ den Hitlergruß abgab; wahrscheinlich eine Myschkin Anlage: nicht gehorsam. Der gleiche Lehrer war dann entzückt - Sie können es sich vorstellen - als bei uns - Widerständler mit Villa und Park - die ganzen amerikanischem OSS Leute in Bremen einkehrten und ihre Parties hielten. Also die wenigen Nazis, die ich je getroffen habe, sind's immer geblieben. Auch der eine viel liebere als der Vater SS Onkel! Ich habe einen Sohn eines wichtigen SS Manns kennengelernt, mutig, ein wenig depressiv veranlagt, der Knueppelkultur wegen, 86ziger schon, aber weder Rechthaberisch noch laut; Professor.
Ich frage mich, was aus der von den Nazis aufgebauten, zusammengeschweißeten Gemeinschaftskultur nach 1945 wurde? Also weder war ich Pimpf noch erinnere ich mich, trotz Sehnsucht nach irgendwelchen aber irgendeinem Freund bis dann die Schar vertriebener Vetter und Kusinen aus dem Osten bei uns ankamen, mich bis Herbst 1944 nach der HJ gesehnt zu haben; erinnere mich auch keine in der dörfischen Volksschule gesehen zu haben.
6] Jetzt erstmal einiges um ihnen meinen Blickwinkel zu erklären. Die Frage, ich stelle sie mir selbst: wie bin ich zu politischem Bewußtsein, schon ganz früh im Leben gekommen.
Mit Nite hatte ich Bekanntschaft gemacht in 1969 in München als sie die Wohnung einer unserer Kusinen, der Vera [Verouchka] von Lehndorf mietete, einem Apartement auf hohem Stock mit schöner Aussicht auf die Zugspitze und so, auf dem südlichen Ufer der Isar, welches ich langzeitig in der Mitte der 60ziger Jahr benutze als ich in dem Institut Zeitgeschichte für Auskünfte suchte über den Wiederständler Oberst Kurt Großkurt, [von der Abwehr, die Gruppe um Admiral Canaris: "Das ist das Ende" sagte dieser, erbleicht, als er von dem Ueberfall auf Polen erfuhr!], forschte. Meine eigenen Eltern, Alexandra von Alvensleben und Wilhelm Roloff, waren schon seit 1934 in den Wiederstand verwickelt. Meine Mutter hatte es sich in den Kopf gesetzt ihren Vater, Werner von Alvensleben - den Schergen während der "Nacht der Langen Messer" [Chicago, Deutschland] entkommen, aber dann zu Tode verurteilt, zu lebenslänglich in KZ Oranienburg verurteilt, beim überleben zu helfen. [Der - von jetzt an Opa A. - hatte einen höchst zweifelhaften Schutzengel, namens Graf von Helldorf, der ihm riet an dem kommenden Wochenende in seinem Jagdhuette zu verbringen. Helldorft,Architekt des Reichtagsbrands und auch dieser Nacht der vollkommenen Endstation der Weimarer Republik, der Machtübernahme von Hitler & Co., Helldorf - eine schillernde Gestalt - der dann selbst kurz nach dem 20zigsten Juli, 1944, als er - vielleicht aus Überzeugung als rabiater Deutsch-Nationalist vielleicht als schlauer Survivor, vielleicht aus einer Mischung von beiden, oder aus mir/ uns unbekannten Motiven, am Wiederstand, am 20zigsten, teil nahm [die Nachfahren de Familie des Grafen Helldorf antworten mir nicht auf mein Ersuch diese Lücke in meinem Verwundern zu erhellen.] Helldorf selbst erscheint im dem Berliner Museum des Wiederstandes als reiner Wiederständler, vielleicht ist er aber auch eine der dunkelsten Figuren dieser Zeit, er was ja schon bei der Nazi Sache ab 1923 Kapp Putsch, dann einer der großen in der SA, Polizei Präsident von Berlin und der Markt Brandenburg ab 1933, als solcher er seinen scheinbaren Freund [?] oder nur Sippenhaft verwandten, meinen später von mir bis zur Identifikation - ja ich weiss ziemlich genau wie so was intern, psychisch zugeht, Weihnachten 1940 zugegangen ist, ganz schnell! - riet doch das kommende Wochenende in seiner Jagdhütte zu verbringen, aber nicht den General Schleicher für den mein Großvater der Gobetween in den Verhandlungen mit H., war, oder Schleicher's Adjutanten. Außerdem hatte Opa A. Hitler tiefst beleidigt [er wird ja auch von H. persönlich zitiert in der Hitler Lügen Tirade nach diesem Wochenende - "ein gewisser Herr von A."] in dem er H. das Ende von Napoleon erklärte, [Opa A.s Frau, mein Großmutter Alexandra von Einsiedel, soll nach einem Mittags Essen mit H. in ihrer Wohnung in Berlin gesagt haben, dass sie diesen Herren - H. - nicht wieder zu Tisch bei sich erwünsche.[Also, steht zwischen H. und mir nur 'One degree of Separation'.] Eine vergleichsweise mit dem Opa delikate Frau die so Sachen sagte wie "Manieren lernt man nicht, damit ist man geboren," die ich selbst als jemand erlebt habe als sie, ausgebombt in Berlin, nur noch Toast ass, nur sterben wollte, nach ihrer Tochter Lexi sich sehnte, und während der Angriffe weigerte in den Keller zu gehen, und jemand war mit der man gut Patience spielen konnte]. Opa A. weigerte sich auch [das konnte man scheinbar], als Oberst aus dem Ersten Weltkrieg, je auf H. sich vereidigen zu lassen. Trotzdem gehört der Liebe Opa A. zu den von Papen Leuten die Hindenburg überzeugten H. doch mal kurz regieren zu lassen, er würde sich dabei doch in mindestens sechs Monaten vollkommen lächerlich machen. Das aristokratische sich Herablassen hat dem Opa A. auch nicht das KZ austreiben können.
Es scheint mir so als ob diese Gesellschaftsschicht, eine von vielen Eliten [sie sparen die Sozialistische wie Kommunistische vollkommen aus, so wie die religiös motivierten: die letztere von denen - Großkurt, Bremer Pastor Sohn, nicht aus einer Offizier Familie stammend, und den Schweizer Seminaristen Maurice Bavaud [Tell 38] mich am meisten interessieren und überzeugen.] Da hatten die KPD und die Sozialisten doch die richtigeren Erfahrungen gemacht. Heini Lehndorf, wie so viele der Junker, war doch nur zum Wiederstand gestoßen als er Soldaten bei dem Bau der Wolfschanze auf seinem Gut Trakehnen vorfand, 1942 oder 43 glaub ich. Nite's Vater auch eher spät zu dem Wiederstand gestoßen. Es bestand zwar großes berechtigtes gegenseitiges Mistrauen zwischen den Nazis und dem Junkertum und dem Deutschen Offizier Korps, aber der Nationalismus hat doch schon seit dem Anfang des Ersten Weltkriegs alle Dünkel besiegt. Der Massenmord, dem Offizierkorps und den Soldaten wohl bekannt, wird nicht als Grund für die Verschwörung gennant, nicht wahr?
Meine Eltern haben dann am Ende des kurzen Reiches ihre verschiedenen Gestapo Gefängnisse in Berlin wahnwitziger Weise überlebt, und sich sogar während des Hagel der Stalin Orgel Geschosse noch zusammen gefunden, wie - dies zu fragen fiel mir leider zu spät bei meinen Überlegungen ein. Jedenfalls war mein Vater schlau genug sich mit einer NSDAP Mitgliedschaft zu tarnen, was ihm, als General Direktor der Nordsee Deutschen Hochseefischerei [dessen eine ihrer Filialen die er in den 30ziger Jahren für Uniliver ausbaute Ihnen wahrscheinlich mehr als ein Begriff sind] und als Major [ohne Gehalt] dann schön Reiseerlaubnis nach Norwegen und der Türkei und der Schweiz auf Fischsuche, und anderem, für die Wehrmacht machte. Wäre der liebe Opa A. nicht ins KZ, alle vier derer er überlebt hat, wär ich wohl spätestens kurz nach meiner Geburt mit nach England genommen worden, und hätte eine weit weniger kompliziertes Verhältnis zur Deutschen Geschichte, und überhaupt. Am 19ten Juli 1944 war der Vater zufälligerweise auf seinem kleinen Gut Fichtenhof [den Representationen wegen] in der Nähe von Vegesack, Bremen, einen Besuch an den ich mich besonders gut erinnere da er mich dann verhaute als ich, verbotenerweise, mit dem Gärtner Klinner, und dem von dem Pferd Lisa gezogenen Leiterwagen, nach Burg abhaute zum Kohlen abholen, kurz vor einem Luftangriff. Der Vater war auf dem Weg zu seinem Freund Graf Schwerin, der Vorgestellte eine Division in der Nähe von Aachen, der ihn im Falle des Glückens des geplanten Attentats durch die Linie zu einer Englischen Division schleusen wollte - einer von ich weiß nicht wie vielen Gobetweens???; mein Vater durch die Uniliver Verbindung, mein Mutter aus verwandtschaftlichen, hatten in 1938 bei den Engländern, bei Lord Astor vorgesprochen, um sie vor einem Kompromiß mit H. zu warnen. Als der Vater meine Mutter in Berlin am 21 Juli anrief sagte sie ihm daß "alle im Krankenhaus" sein, und - das Gespräch war abgehört - wurde in ein paar Stunden nach dem Anruf verhaftet und in die Bendlerstraße gebracht. Dort versuchte er nach dem ersten Verhör Selbstmord, da er befürchtete beim zweiten Namen zu nennen, was ihm das Leben rettete, denn er landete in einem Krankenhaus geleitet von Dr. Albrecht Tietze, [Yoch Vaschem] der - zusammen mit seiner jungen Assistentin, Dr. Charlotte Pommer, und einer ziemlichen Schar einfacher Berliner, auch Polizisten, es in den Kopf gesetzt hatte soviel wie möglich der von der Gestapo und SS da eingelieferten, und vielen Berliner Juden, so lang wie möglich da zu behalten oder beim Ueberleben zu helfen - im Fall meines Vaters lang genug so daß Freisler [und sein Volksgerichtshof] während einem Luftangriff [der berühmte Balken] getötet wurde. An der Bendler Straße gab es einen Aufstand am Ende, als die Gefangenen schon zum Genickschuß in die ausgebombten Keller geführt wurden. Das Gefängnis wurde von einem Artillerie Treffer halb zerstört, Aufstand geleitet von einem Sozialisten namens Lieber/ oder Leber so glaub ich, die meisten SS Leute hatten sich schon verkrümelt! Als ich in den 60ziger Jahren auch die Gestapo Akten, die nach Washington geschleppten, durchsah, schien es dass die Gestapo meinem Vater, soweit das dort abgelegt, nichts vorzuwerfen hatte außer dass er die Verschwörer mit Fisch versorgte, und zwar reichlich. [Meine Mutter hatte wohl recht als sie sagte, dass die Polizei immer viel weniger weiß als man - das paranoide Gewissen - sich vorstellt.] Sie selbst wurde von der Gestapo geschnappt mit der Tücke sie solle doch Ausweise und Pistole für den flüchtenden Geheimrat 20ten Juli Teilnehmer, oder was immer er bei der Polizei, Gisevius zu besorgen, was sie auch tat, aber als die Gestapo - ein sofortiges Geständnis erwartend - ihr diese einhelligen Beweise auf den Tisch legten, war sie um einiges schlauer und sagte: "Natürlich, ich arbeite doch für sie." "Seit wann?".. um meinen Gatten zu retten." Das war so ungefähr am selben Tag als Prag von den Russen eingenommen wurde, was die Gestapo ["Und wo?" "Aus ihrem Prager Büro"] aber nicht zugab oder wahr haben wollte, daß es dieses Büro überhaupt nicht mehr gab, so daß ihr Bluff nicht geprüft werden konnte,{"Und ihr Geheimwort?" - "Karo" glaube sagte sie, die bekannteste Brot Mark zur Zeit in Berlin, das ihr auf Anhieb als erstes Wort, sie war hungrig, in den Sinn kam, und sie zu sechs Jahren anstatt zu sofortigem Tode verurteilt wurde... das Frauengefängnis entließ ihre Einsassen kurz vor dem absoluten Ende. Kein Genickschuß dort.
All daß wußte ich natürlich als 7/8 jähriger in Herbst von 1944 als einer nach den anderen der vielen bis dahin unbekannten adeligen Verwandten die da mit Pferd und Leiterwagen ab Herbst 1944 am Fichtenhof auftauchten - die vier Lehndorf Gören, samt Mutter, und Großeltern, Nita und Manfred, und einem 300 Pfund Wesen, mit Baskenmütze, eingewickelt in einem beinah schwarzen dunkel-blauen filzigen "Greatcoat", einer Lituauerin, die die Pferde des Leitwagen auf dem Hocker an der Leine hatte [also jemand aus der Märchen Welt des frühen Günter Grass], die einfach "die Röppin" genannt wurde, Döhnhoffs, vier von Arnims Söhne, und Mutter, und ich weiß nicht wer sonst, auch wußte ich das nicht im Frühling 1945 als der gleichaltrige Ditloff von Arnim und ich, von einer Böschung runter auf unsere ersten Amerikanischen Truppen in ihren Jeeps und so'n schweres Maschinengewehr auf dem Kübel, Windschutz Scheibe runter spähten - wir lasen natürlich wie wild Karl Mai - und diese kleine Kolonne Spähtruppe mit unseren leichten Maschinen Gewehren einigen Handgranaten und Panzerfäusten - die wir von der Kompanie die auf dem Fichtenhof kurz einquartiert war, aus Arnheim marschiert, aber dann ihre Waffen weggeschmissen hatten, hauptsächlich in unsern karpfenreichen Teich, ergattert hatten - schwer blessierten bevor wir uns in unserem Maquis verkrümelten... genau wie jugendliche Vietcong oder jetzige so genannte "insurgents" in der Provinz Anbar in Irak... den Maquis gab es wirklich, und einen Moment habe ich sie wohl von der Möglichkeit eines solchen Vorgangs überzeugt! Ein dichter Kleineichenwald Dickicht, in dem ein Jahr zuvor [uns unsere Fantasie die gab es auch, und Ditloff, samt Sommersprossen war ein wirklicher Windhund zeh wie das beste Kruppstahl!] ich meinen ersten toten Menschen zu Augen bekam, ein Amerikanischer Flieger der den Absturz seiner B-17 nicht überlebt hat, ein anderer der noch seinen Fallschirm benutzten konnte, wurde von den Bauern, die igendwie alle Krudop [Kuhdorf?] hießen mit großem Juchhe mit Mistgabel und Flinte gefangen genommen.
Wie war es wohl dazu gekommen, zu meinem kriegerischer nationalistischem Geisteszustand in diesem Alter? Schon mit vier Jahren zeichnete ich, äußerst grob, Luftangriffe; mit vier hab ich mich halb in das Lesen zurückzuziehen angefangen; als die Eltern mich so um Weihnachten 1943 aus Istambul in Vornbach am Inn anriefen krächzte ich ihren schockierten Ohren das Marine Lied "Wir lagen vor Madagascar und hatten die Pest an Bord"; ab 1941 nach den ersten Bombenangriffen auf Bremen wurde ich, traumatisch für mich, auf Reisen mit meiner Polizisten Gouvernante genommen, Reisen nach Osten, Rückzug.. Das Radio, die Zeitungen...und das mir kein Schwein etwas erklärte [es wohl nicht wagte] und ich mir meine Welt auf eigene Art auslegte... auch der "böse Mann" der da hinter dem Wald da, im Teufelsmoor, hauste, wo sich dann ein kleines Bremer Sammel KZ die märchenhafte Warnung der Bauern bestätigte.
Also wurden für mich diese drei Monate - Mai bis August 1945 - bis zu Wiederauftauchen der Eltern - als ich endlich Aufklärung bekam eine solche Aufklärung die dann vollkommen war als mich ein Zuck durchfuhr bei dem Lesen, 1946 oder 47 über die Folterungen meines Opa A. in Buchenwald und ich wußte du mußt aus diesem Wintermärchen Mörder Land weg.
Als mein Vater in August 1945 wieder auftauchte war ich seltenerweise stolz auf ihn als er "ja" antwortete auf meine Frage ob er im Gefängniß gessessen.
Dies als Hintergrund zu meinen Comments. Familien Geschichte, Clans, wahrlich darauf kommt ja vieles an der Aufklärung an...Also, wär ich in Deutschland geblieben... wer weiß ob ich mit meinem damalig manchmal hitzigen Temperament nicht bei der RAF Faktion gelandet wäre? Wäre ich dem Schläger des Großvaters begegnet? Trotzdem es mir bei der Besichtigung der ersten großen Demonstration in Berlin [1969] sofort klar wurde, daß mit diesen Flaneuren [einige aus der Gruppe 47 mir bekannt] auf dem schönen Malecon, der der Kuhdamm dann war, keine Revolution zu machen sei, ohne Arbeiter, ohne Armee... Also war das doch eher eine verspätete Abrechnung mit der Generation der eigentlich nicht mehr vorhandenen Vätern... The two-edged sexual Revolution... Handke schreibt schön kurzgefaßt über Berlin zu der Zeit in der "Kindergeschichte" - auf der einen Seite die stöhnende Polizei, auf der anderen die Revoluzzer... die sich dann ach so leicht auf den "langen Marsch" in die Institutionen begeben haben... Das Weltweite dieses Aufstands wird bei ihnen auch ausgelassen... "The spirit of the Time..." Das nächste dem ähnlichen Weltweite war wohl das Auftauchen der Raubgier des Neoliberalismus in den 80ziger Jahren der sich wohl noch nicht ausgespielt hat... "The Generation of Thieves" nenne ich diese, aus nähester Bekanntschaft.
Da ich ja immer interressiert blieb an dem mehr Mutter als Vaterland hab ich dann Michael Schneider's [1973] NEUROSIS AND CIVILIZATION übersetzt und als senior Lektor bei Continuum Books auch verlegt... und überlege mir manchmal was aus diesem Kompendium der Neuen Deutschen Linken wenigstens bei mir, als Übersetzer hängen geblieben ist... einiges schon...
Was andere mir bekannte Widerstandskinder betriftt: Nite kennen Sie ja selbst. Als sie mich zum Münchener Airport fuhr so daß ich dort mein Auto abhole zur Fahrt zu Martin Walser und Max Frisch am Bodensee, begegneten wir meinem strahlenden Boss, Siegfried Unseld in Begleitschaft von Peter Handke, dessen Stücke ich zur Zeit übersetzte. Handke, der schielende Kerl mit dem Röntgenblick, fragte mich später ob die Nite einen leichten Knacks habe, ich nickte nur; und glaube dass all diese Widerstandskinder, oder sie viele, vielleicht alle Deutschen Kinder dieser Zeit, einen Knacks, auf was immer welche Art, aus was für auch Gründen bekommen haben.
Ich habe kaum Bekanntschaft mit anderen Widerstandskindern gemacht Von den vier Lehndorf Töchtern war die Verouchka [Vera], die einzige die ihrem Vater ähnlich sieht, schon schwer was man so "disturbed" nennt... ob des Tod ihres Vaters wegen, oder der Kinderanstalt in die sie Nazis steckten. Keine Idee. Die älteste, die Nona, hat dann eher ein Zuckerleben geführt, a la Hubert Fichte's "Die Pallette"... was ich eigentlich sehr beneide... das ich das viel zu selten habe sebst mir hab erlauben können... die zwei jüngeren sind ganz normal und uninterressant soweit ich weiss... Die vier von Arnims stammten nicht aus einer Wiederständler Branche... Ihr Vater kann sogar einer der verruchten von Arnims des 2ten Weltkriegs gewesen sein. Kam erst nach fünf Jahren aus Russischer Gefangenschaft zurück. Die zwei ältesten, Dedo und Ditloff, sind Kaufmänner geworden, der dritte Bernd Bankier und hat die Tochter eines großen Hamburger Bankiers zu einem schöneren Namen geholfen. Der vierte, Gerd, wurde soviel ich weiß Inspekteur der Bundeswehr. Nite's Bruder oder Kousin der den Sessler Verlag leitet...ich hab einmal ein Stück eines seiner Autoren übersetzt...die Kinder der Schwestern meiner Mutter kommen nicht in Betracht da die Schwestern politisch unengagiert blieben und sie kein Verhältniss zu den Großeltern hatten, das Schicksal ihres Vaters motivierte diese Töchter nicht... Ich bin zwar in Verbindung mit der Gedänkstätte in Berlin, aber außer eine der Tietze Töchter, Stephanie die einen Amerikanischen CIA Mann namens Reynolds geheiratet hat, und die Erinnerung an ihren kuraschehaften Vater Albrecht wach hält, bin ich nicht mit irgendwelchen Wiederstand Nachkommen jemals in Verbindung getreten... oder über den Weg gelaufen... Nicht im Deutschen Verlagswesen... unter Deutschen Autoren... Ja, warum die so still sind, bis auf mich, der auch lieber als "eminence gris" im Hintegrund mache... Es sind ihrer aber so wenige doch! Sie haben wohl recht, aber ob es damit zu tun hat, daß das blöde Deutsche Volk sich nicht einmal wenigstens mit der Symbolik des Aktes dieser doch enttäuschende Gruppe identifizieren kann... es hinkt wahrscheinlich immer noch an Kurasch aller Art.
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Now, I am going to switch, briefly, into American English: What I am missing is the equivalent - perhaps it is a question of ignorance on my part - of the "The god that failed" type testimony by these ex-believers. It is said that subsequent to WW II, the Germans were "ernüchtert", but didn't that already occur during the period called the "Neue Sachlichkeit?" I must say, I never met an ex-believer, among the family members nearly all of whom were anti-Nazi there was one fairly pathetic Nazi uncle, full of ressentiment which derived from his having been the neglected second son, whereas the first born, my father, had been showered with his parent's love and admiration. In other respects, this uncle Thorvald was far sweeter and easier than his older anti-Nazi Widerstands brother, but stuck to his Nazi convictions to his end in the early nineties, a Märzhase who joined, so he said, because that was the only way he could go on riding when the SS co-opted his club into the Reiter SS, and did so despite the pleadings of his Jewish relatives, even went to far as to suppress his own part Jewish heritage! Just to sit on a horse, no kingdom, just a better view! The only truly starry-eyed political believer I ever encountered was a young Komsomol managing editor of a book publishing firm in Plodview, Bulgaria. A lovely fellow. Oh how upset he was when I mentioned that books are "verramscht" in the US, I didn't even get a chance to explain that the sacred paper, whose scarcity was allotted under the five year plan, was recycled! Good indeed. But that rather points to idealism and its perversion by political powers during the or whenever 20th century; you can find young Republicans and Neo-Cons like that in this country. Since those "good" idealists remained "good", unless they committed crimes, there is really no reason why their progeny ought to be disposed towards anything but a more idealistic behavior and disposition than the general run of people??? I myself am still quite idealistic, and, having been psychoanalyzed, have given some thought to why I am inevitably so. No doubt it is because of my fairly heroic mother, who was idealized and not only by me; who, however, was also a practical and clever idealist; otherwise she would not have survived the Gestapo; and I myself, with all my excesses and excessive sometimes optimism, might not have given consideration to my aversion to tropical environments and inability to cope with amöbas and might be buried on an airstrip in Bolivia thirty some years ago!
Also, fuer mich sind die Buecher von Kempowski - eins derer, "Haben Sie Hitler gesehen", auch eines Psychoanalytikers Frage, ich uebersetz habe - wichtige als alles Pauschales.
Yours very truly,
Michael Roloff
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*-1] Ich habe Grass' Zwiebelschälung noch nicht gelesen, [thus "I am withholding judgment" until whenever] und es scheint als ob Sie es zur Zeit Ihrer Polemik auch noch nicht; die interessantesten Rezensionen - von Raddatz [Die Zeit] und Neal Acheson [London Review of Books] schienen anzudeuten, dass die Sache bei dem Raconteur verzwickt ist; es wurmt ihn, und zwar schon lange; worauf, dass ihn etwas wurmt, er einen ja selbst schon vorher aufmerksam gemacht hatte. Aber was soll der arme Kerl denn tun? "Ich war zwar 45 Tage lang Angehöriger der Waffen SS, finde aber trotzdem das X einer der allergrößten Kriegsverbrecher überhaupt ist... etc." Weil er so lange gewartet hat, um so peinlicher ist es dann jetzt. Eine narzisstische Schwäche sicherlich, dass er das nicht vor langer Zeit richtig gestellt hat, Feigheit, wie scheinbar damals beim Russenangriff auf seine Division. "Hänschen klein" Otherdirected.
*2] Handke hat Deutschen Vater und Stiefvater, Slowenische/Oestreichische Mutter , aber scheint eher tief beinflußt von dem Partisanentum der zwei Slovenischen Onkel, dem Slovenischen Jugoslawienliebenden Großvater; die Mutter, wenn man da auf "Wunschloses Unglück" genauer hinsieht, scheint das kommen des Führers ziemlich enthusiastisch gefeiert zu haben. Ja, in was für Unglück der ein ignoranter Enthusiasmus einen treiben kann, nicht war?
*3] Es ist, finde ich - besonders auf die Dauer - irgendwie ungewöhnlich, daß nach all dieser Zeit, immerhin 100 Jahre, nach der Eröffnung des immer größer werdenden Reich des Unterbew, ußten - "das Unbewußte"/ System Unconscious/U.C.- das dieses nicht als mindestens eine Möglichkeit bei allem Denken, mindestens als Skepsis, mitgedacht, mitgeführt wird.
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